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Winter – Paddeln – Unterkühlung

In der ja noch rechten kurzen Zeit, in der ich jetzt dem Paddelsport fröne, habe ich erstaunlich viel Sorglosigkeit gesehen, wenn es um kaltes Wasser geht. Damit meine ich nicht den erfrischenden Schluck im Hochsommer, sondern den eiskalten Schreck im Herbst und Winter, wenn man plötzlich im Wasser landet ! Kaltes Wasser und Menschen passen nur bedingt zusammen, auch wenn es so manchen Eisschwimmer bzw. -bader gibt. Die sorgen aber nach dem Verlassen (Verweilzeit im einstelligen Minutenbereich) für eine angemessene und sinnvolle Aufwärmung. Der Paddler hingegen kämpft dann meist um sein Leben (oder das Leben von Begleitern).

Zum einen droht als Sofortreaktion ein möglicherweise tödlicher Kälteschock (der kann uns auch im Sommer ereilen, wenn wir mal eben in den noch zu kalten See springen), danach setzt langsam die Unterkühlung ein, die ebenfalls irgendwann zum Tode führen wird. Gegen den Kälteschock und die Unterkühlung schützt uns geeignete Kleidung, Stichwort Trockenanzug. Damit bleiben wir dann über einen längeren Zeitraum handlungsfähig, was der Selbstrettung und auch bei der Rettung durch andere dienlich ist.

Es gibt immer Listen mit Temperatur- und Zeitangaben, wie lange man bei wie viel Grad im Wasser überleben kann. Diese „Überlebensvorhersage-Kurven“ sind aber auch nur bedingt brauchbar, da sie von bestimmten Unterkühlungsraten des Rumpfes ausgehen. Aber auch lokale Unterkühlungen – Arme, Beine, Hände – können bereits fatale Folgen haben. Schon bei einer Wassertemperatur von 15 Grad Celsius verlieren die Hände schnell ihre normale Motorik, was eine Selbsttötung massiv erschweren kann. Bei Selbstversuchen im 5 Grad Celsius kalten Wasser (im Trockenazug, ohne Handschuhe) waren meine Hände sehr schnell so steif, das ich zwar noch schwimmen konnte, aber vernünftig greifen wäre schon schwierig geworden, ganz zu schweigen von irgendwelchen Knoten zu öffnen.

Stichwort schwimmen: im Trockenanzug ist es nicht so kalt, aber er erschwert natürlich die Bewegung, Distanzen werden unglaublich lang ! Ohne entsprechende Bekleidung wird man nicht lange schwimmen können, Bewegungsfähigkeit und Ausdauer nehmen rapide ab. Eine Schwimmweste (PFD) ist in beiden Fällen unerlässlich !

„Ich kann ja schwimmen“„Der See/Fluß ist ja nicht groß“„Ich kann die Schwimmweste im Wasser anziehen, wenn ich sie brauche“ … oder auch nicht besser „Ich kann die Schwimmweste im Wasser aufblasen“  Leute, Finger weg von diesen Schwimmhilfen (Schwimmärmchen für Große). Glaubt mir, im Zweifelsfall haut das alles nicht hin und dank eurer Sorglosigkeit kommt der letzte eiskalte Schluck Wasser nicht im Sommer aus einem Glas über eure Lippen. Es gibt da ein sehr interessantes Video von Fish Safe BC zum Thema:

Unterzieher unterm Trockenanzug ?

Schnittmuster für VliesunterzieherZu dem Thema bei niedrigen Wassertemperaturen nicht ohne Trockenazug zu paddeln, habe ich ja an dieser Stelle schon mal etwas geschrieben (Trockenanzug oder Neopren) Aber es kommt doch noch ein wichtiger Aspekt hinzu: die (hoffentlich) passende Unterbekleidung. Bisher nutzten wir ja nur Thermounterwäsche und dann „normale“ (Jogging)Kleidung. Im Handel gibt es diverse Versionen von speziellen Unterziehern. Mit einigen anderen bieten auch Palm (Tsangpo) und Hiko (Teddy bzw. Yetti) einteilige Anzüge an. Ich habe auch wattierte, gesteppte Unterzieher gesehen, z. B. von Reactor Ltd., die wohl dicker als die Vliesvarianten sind. Auf der boot bekam ich dann auch mal welche für unter Trockentauchanzüge in die Hand, die waren dann richtig dick und eine paddeltypischen Bewegungsfreiheit kann ich mir darin allerdings nicht vorstellen. Dabei sollte man auch unbedingt an Damen- oderStoff und Schnittmuster für Unterzieher Herrenvariante denken. Was nützt ihr der schönste Trockenanzug, mit Reißverschluß am Po, wenn der Unterzieher aus einem Stück ist ?

Aber die Schneiderin im Haus erspart den Kauf eines fertigen Anzuges.

So suchte Janine nach entsprechenden Schnittmustern, recherchierte welchen Stoff wir verwenden können und machte sich Gedanken über „Kleinigkeiten“: Welche Ärmel-, Bein- und Halsbschlüsse ? Wie den E-tumleH im roten Unterzieher2-Wege-Reißverschluß bei meinem Unterzieher gestalten ? Ganz besonders wichtig und verzwickt war die Lösung für den hinteren Eingriff bei ihrem Anzug. Weit genug, um in wirklich im Falle eines Falles bequem nutzbar sein zu können, aber nicht so weit, dass er störende Falten wirft.
Alle Probleme sind gelöst und die Anzüge nähern sich der Fertigstellung – dann geht es ab (ins) aufs Wasser. Ich habe meinen schon einmal probegetragen ……. fühlt sich sehr gut an und ist mit Thermounterwäsche sicher eine sehr warme Angelegenheit.

Ein Bericht von der ersten Benutzung wird sicher folgen.

Trockenanzug oder Neopren

Benutze ich einen Trockenanzug oder doch einen (Nass)Neoprenanzug ?

Diese Überlegung haben wir ja seit dem Beginn unserer „Paddellaufbahn“: was ist besser oder bequemer. Hatten wir uns doch zum Kanadier Neoprenanzüge gekauft und diese auf ihre Isolationswirkung ja mittelerweile auch ausgiebig getestet. Beim Schwimmen in 3 Grad kaltem Wasser sind sie hervorragend, 30 Minuten hielten wir ohne Probleme aus – es ginge locker auch noch länger. Allerdings sind sie nicht ganz so bequem und das An- und Ausziehen ist eher umständlich, außerdem sind sie sehr voluminös und nass dann recht schwer. Da würde ein Trockenanzug sicher eher punkten können.

Aber warum überhaupt spezielle Anzüge zum Paddeln ? Eine Regenhose und eine Paddeljacke halten doch auch trocken ?

Ja sicher und es gibt auch einige Menschen, die so fahren „Ich bin bisher noch ins Wasser gefallen und das habe ich auch weiterhin nicht vor. Was warmes darunter, das reicht“. Im Sommer, Luft und Wasser sind warm, mag so etwas gehen. Sind die Wassertemperaturen zweistellig und man kann schnell wieder ins Boot, oder an Land und sich zeitnah trockene Sachen anziehen, dann geht das sicher auch noch. Aber irgendwann wird es grenzwertig, oder sogar leichtsinnig. Zu schnell verliert man die Möglichkeit sich gezielt zu bewegen und die motorischen Körperfunktionen lassen nach – das trifft auch einen guten Schwimmer, für den ich mich durchaus halte.

Wenn man dann noch mit einem Luftboot unterwegs ist, ganz besonders wenn diese, wie im Falle unserer Packrafts, nur über eine Luftkammer verfügen, sieht die Situation ganz anders aus. Da ist im Ernstfall kein Boot mehr, in das man sich zurückziehen kann, die Selbstrettung hat schwimmend zu erfolgen – außerdem möchte man ja möglicherweise  seine Ausrüstung auch bergen. Lufttemperatur – 3 Grad, die des Wassers liegt knapp über dem Gefrierpunkt und das Boot verliert auf dem Fluß – der ist ja nicht immer nur 10 Meter breit – oder auf dem See immer schneller an Luft. In einem solchen Moment möchte ich nicht lediglich warme Klamotten mit Regenkleidung darüber tragen. Im Neoprenanzug wüßte ich, dass mir nicht passieren wird. Der zusätzliche Auftrieb des Neos plus der Schwimmhilfe(-weste) würden einen Rückweg ans Ufer sicher gewährleisten und auch um die Kälte würde ich mir keine Sorgen machen. Aber wie schon gesagt, Neos sind nicht bequem und auch nicht so leicht zu transportieren. Spielt Platz doch beim Umgang mit Packrafts durchaus eine (entscheidende) Rolle.

Da kommen dann die Trockenanzüge ins Spiel.

Kleineres Packmaß, viel leichter vom Gewicht her und auch die Beweglichkeit wird nicht so stark eingeschränkt. Durchaus Argumente, die den hohen Anschaffunsgwiderstand wett machen können. Isolierende Unterbekleidung vorausgesetzt, machen sie einen Aufenthalt im kalten Wasser dann ebenso erträglich wie sicher.

Gelesen habe ich ja jetzt das eine oder andere zum Thema, auch Youtube liefert wieder hilfreiche Filme, aber letztendlich muß man es doch ausprobieren und sehen, wie sich so ein Trockenanzug trägt. Zu den technischen Voraussetzungen habe ich im Beitrag „Trockenanzug beim Paddeln“ bereits etwas geschrieben, ging es mir dann mehr um die Gesichtspunkte warum und was.

„Warum“ ist eigentlich ganz klar zu beantworten, sagte ich ja auch bereits in den Vorüberlegungen: die Sicherheit in der kalten Jahreszeit hat für mich absolute Priorität. Einen Zugewinn an Bequemlichkeit, wenn man beim Wildwasserfahren auch im Sommer nicht nass wird, oder es eigentlich egal ist, ob es gerade wie aus Eimern regnet, ist dann beim Trockenanzug noch ein zusätzliches Schmankerl.

„Was“ machte dann doch mehr Kopfzerbrechen. Neopren war ja schon da. Trockenanzüge sind recht teuer, denn das Billigsegment hatte ich bewußt ausgeklammert. Gegen unsere Neos sprach immer mehr der logistische Aspekt, welcher im Zusammenhang mit dem Kanadier und dem dabei notwenigen Transportmittel Auto, ja keine große Rolle spielte. Aber beim Pack- und Bikerafting sieht das mit Platz und Gewicht doch wieder ganz anders aus.

Es ging dann letztendlich nur noch um die Frage: welcher Anzug soll es denn sein ? Wie die Entscheidungsfindung dann weiter ging, läßt sich auf der Seite Paddelausrüstung verfolgen.

Zum Schluß landeten wir bei Trockenanzügen von Palm Equipment. Diese haben ihre Tauglichkeit (für uns) auch schon unter Beweis gestellt – siehe „Unsere erste Tour auf der Sieg“

 

Trockenanzug beim Paddeln

Was ist eigentlich ein Trockenanzug ?

Zur Klarstellung vorneweg: es ist hier nicht die Rede von Trockentauchanzügen ! Als erstes soll eine solcher Trockenanzug das tun, was der Name verspricht: Er soll den Träger (oder die Trägerin) trocken halten – und darüber hinaus Wärmeverlust (bzw. Unterkühlung) verhindern. Die Nässe abzuhalten kann einfach den Paddelspass erhöhen, z. B. bei intensiven Wildwasserfahrten oder auch bei Dauerregen. Alleine das man ständig nass ist, wird auf lange Zeit zu Unterkühlung führen. Besonders kritisch wird das allerdings dann, wenn man bei kalten Temperaturen dem Wasser ausgesetzt wird – da kann es auch schnell lebensbedrohlich werden.

Trockenanzug in unterschiedlichen Versionen

Drei Trockenanzüge vom Einstiegsmodel bis zur Oberklasse: Dry Fashion Sailing, Palm Cascade (Frauenausführung) und der NRS Axiom.

Den Schutz vor Wasser erfüllt der Anzug durch wasserdichte Materialien, bzw. Membranen und wasserdichte Abschlüsse an Füssen, Händen und am Hals. Das ergibt aber keinen Kälteschutz, der muß durch eine entsprechende Unterbekleidung – z. B. Fleece – im Trockenanzug erreicht werden. Der Anzug hat durch seine Materialbeschaffenheit keinerlei Wärmeisolation.
Für die Funktion als Trockenanzug ist es natürlich unerlässlich, das kein Wasser eindringen kann, deshalb werden spezielle Reißverschlüsse (z. B. TIZIP MasterSeal oder YKK AQUASEAL) verwendet, sie müssen Wasser- und Druckdicht sein. Arm- und Halsabschluß sind aus Neopren (nicht vollständig dicht, aber möglicherweise angenehmer zu tragen), oder aus Latex gefertigt. Latexabschlüsse sind deutlich dichter aber auch enger. Als Schutz vor UV-Strahlung sollten diese Manschetten besser über Überwürfe aus Neopren verfügen. An den Füßen kann man entweder Abschlüsse oder Füßlinge aus unterschiedlichen Materialien haben. Letztere sorgen für einen trockenen und somit wärmeren, Fuß. Sind aber empfindlich und bedürfen eines besonderen Schutzes (Neoprensocken z. B. die man drüber zieht) um die Langlebigkeit zu erhöhen.
Die Preisspanne solcher Anzüge ist weitgefächert: teils schon für 150.- Euro bis weit über 1500.- je nach Verwendungszweck und Komfortanspruch. Das unterste Preissegment, bei diversen Online-Versandanbietern, sollte man sich wirklich gut überlegen, Qualität hat auch hier ihren Preis. Im eiskalten Wasser und bei Minustemperaturen muß man sich auf seinen Trockenanzug verlassen können ! Beim Material hat man die Wahl zwischen atmungsaktiven und nicht (oder weniger) atmungsaktiven Stoffen … 2, 3, 4 lagig, Gore-Tex oder nicht. Ansonsten ist zu beachten, was man machen möchte – die Häufigkeit der Benutzung ist sicher auch ein Kriterium – und wie viel Wert man auf besonderen „Luxus“ legt: Hosenträgersysteme für bessern Sitz, eingearbeitet Gürtel, zusätzliche Taschen, einen (doppelten) Kamin für die Spritzschürze … … … Alles das schlägt sich natürlich im Preis nieder. Ach ja, eines hätte ich fast vergessen: Wenn man – oder auch Frau – mal muß. Es gibt spezielle Pee-Zips, bei der Männerversion im vorderen unteren Bereich und bei Frauenanzügen hinten quer angebracht.
In Kombination mit einer isolierenden Unterbekleidung, je nach Umgebungstemperatur mehr oder weniger, kann ein solcher Trockenanzug das Überleben sichern. Von (Merino)Unterwäsche, Joggingbekleidung, speziellen Unterziehern, oder einfach der normalen Treckingkleidung, ist darunter ja alles machbar.
So ein Anzug bedarf natürlich auch einer gewissen Pflege. Die Reißverschlüsse müssen sauber und gängig gehalten (Silikonfett) werden, Latexmanschetten regelmäßig mit Talkum einreiben, den restlichen Anzug sauber halten und auf Undichtigkeiten kontrollieren.

Dann gibt es da noch den Mythos zum Thema Sicherheit, der sich hartnäckig hält:

Wenn der Anzug ein Loch hat, dringt Wasser ein und man geht unter !
Das ist, gelinde gesagt, absoluter Blödsinn !!!
Was wiegt Wasser im Wasser ? Richtig immer das gleiche, außerhalb und innerhalb des Anzuges. Warum sollte man also untergehen ? Wasser dringt auch nicht schlagartig durch ein Loch ein, da der Wasserdruck den Anzug an den Körper preßt. Sollte man einen Reißverschluss offen gelassen haben dringt natürlich mehr ein – befindet man sich dann auch noch in der Strömung und hält sich irgendwo fest, geht es natürlich viel schneller – was den Anzug höchstens unbeweglicher macht. Ein Zurückklettern aufs Board oder ins Boot gestaltet sich dann sehr viel schwieriger, oder wird möglicherweise auch unmöglich. Aber man geht nicht unter und kann auch weiterhin schwimmen.
Taucher (in Trockentauchanzügen) sinken aber doch tiefer, wenn sie Wasser in den Anzug bekommen ? Ja, wenn er mit eingebrachter Luft seinen Auftrieb über den Anzug regelt (austariert) und dieser Auftrieb dann wegfällt, sinkt der Taucher, mehr oder weniger schnell – im Gegensatz zum Paddler trägt der Taucher aber auch (Blei)Gewichte.