Schlauchboot, Luftkajak, Packraft …

Es gibt ja viele Begriffe für die Boote, die eines gemeinsam haben: Mit Luft gefüllte Kammern (Luftschläuche), die das Boot und die Insassen über Wasser halten. Die Unterschiede finden sich dann in der Konstruktion, vom leichtgewichtigen Packraft über Luftkajaks/Luftkanus und die üblichen Schlauchboote, dazu die Hybriden aus Luftkajak und Faltboot, bis hin zu den bekannten Zodiacs. Das geht über einen Gewichtsbereich von unter 2 kg (und einem Packmaß in der Größe eines Schlafsacks) über 12 bis 17 kg für die einfach zu transportierenden Varianten. Die Zodiacs sind da außen vor, sind ja auch eher ein Sonderfall.
Mich interessieren hier aber nur die von einer Person (bei Zweisitzern auch mal 2 Personen) zu transportierenden Boote.

Der Wunsch ungezwungen über Seen und Flüsse zu paddeln, überfällt ja viele Menschen. Nicht alle haben die Möglichkeit, oder auch die Lust dazu, Festrumpfboote (Kajaks oder Kanadier) auf ein Autodach oder entsprechende Trailer zu wuchten. Touren mit Mietbooten sind sicher mal eine schöne Alternative, aber auf Dauer ? Da kommt man dann zu Schlauch- und Faltbooten, die einfach weniger Platz erfordern und in mehr oder weniger großen Rucksäcken zu transportieren sind.  Schlauchboote, in Form von Gummiboten fanden schon sehr früh Verwendung. Nach der Entdeckung des Vulkanisierens von Gummi (was eine Stabilisierung des Kautschuks und die nötige Elastizität zur Folge hatte), durch Charles Goodyear im Jahr 1838, trat dieser Werkstoff seinen Siegeszug an. Sowohl im militärischen Bereich als auch für wissenschaftliche Expeditionen (z. B.durch  John C. Frémont bei der Erkundung des Oregon Trails und des Platte Rivers 1843/1843) benutzte man von da an Gummiboote in den unterschiedlichsten Bauweisen. Große Bedeutung erhielten sie dann in der Schifffahrt – und auch später in der Luftfahrt – als Rettungsboote. Alain Bombard überquerte 1952 den Atlantik in einer speziellen Variante des Schlauchbootes und begründete zusammen mit dem franz. Flugzeughersteller Zodiac die Fertigung der gleichnamigen Schlauchboote. Diese wurden weltweit bekannt und genutzt, unter anderem sorgten Personen wie Jacques Cousteau für deren Bekanntheitsgrad. Dies waren aber keine Boote, die man sich mal eben unter den Arm klemmt, wogen sie doch schnell ab ca. 75 kg. Aber das erfüllten dann irgendwann die voll aufblasbaren Schlauchboote, die sogenannten Badeboote. Gummi, der Urstoff der Schlauchboote, findet heutzutage (fast) keine Verwendung mehr bei der Herstellung von Schläuchen und Rümpfen. Eine Vielzahl anderer Werkstoffe hat das übernommen:

  • PVC: Reines PVC (Polyvinylchlorid) findet heute noch bei vielen Schlauchbooten Verwendung.
  • Neopren: Dieses Material macht Hypalon gasdicht, ist aber auch sehr empfindlich gegen äußere Einflüsse. Deshalb wird es in Mehrlagenverwendung mit reinen Hypalon-Lagen kombiniert, nicht jedoch als äußerste oder innerste, sondern immer als eine mittlere Schicht.
  • Hypalon-Neopren-Gemische sind ein Kompromiss, um auch dem Freizeitschiffer ein halbwegs passables Schlauchboot anzubieten. Reine Mehrlagenfertigungen aus jeweils reinem Hypalon und Neopren altern fast nicht und lassen sich leicht reparieren. Ein aus solchem Material gefertigtes Schlauchboot ist teuer, hält dafür aber ein paar Jahrzehnte.
  • EPDM (Ethylen-Propylen-Dien-Kautschuk) ist ein langlebiger, UV-beständiger Kautschuk, der für hochwertige Schlauchboote verwendet wird, beispielsweise für Raftingboote im gewerblichen Einsatz, die erhöhten Belastungen standhalten müssen. Unter anderem werden auch Kajaks und Kanadier aus EPDM gefertigt, die im Freizeitbereich verwendet werden.
  • PU: Schläuche aus Polyurethan (PU) sind schwierig herzustellen und werden daher für den Schlauchbootbau oft nicht verwendet. PU hat den Vorteil, dass es sehr hart ist, und weist eine viel höhere Abriebfestigkeit als Hypalon und PVC auf. Frühere PU-Materialien hatten den Nachteil des schnellen Alterns. Neuere Typen sind dagegen wesentlich widerstandsfähiger gegen Degradation unter UV-Licht. PU-Schläuche sind oft auf kommerziellen Booten zu finden, bei denen Festigkeit und Dauerhaftigkeit erforderlich sind. Ein hochwertiger PU-Schlauch überdauert mehr als 20 Jahre.
  • TPU (Thermoplastisches Polyurethan) ist ein thermoplastisches Elastomer. Das sind Kunststoffe, die sich bei Raumtemperatur vergleichbar den klassischen Elastomeren verhalten, sich jedoch unter Wärmezufuhr plastisch verformen lassen und somit ein thermoplastisches Verhalten zeigen.

Das Halkett Zweimann-Schlauchboot von 1844/45

Viele der Materialien sind nicht auf den Einsatz bei Badebooten beschränkt, sondern finden sich auch bei den anderen Vertretern der Luft- und Faltboote wieder. Badeboote sollte man am Strand oder auf ruhigen Seen in Ufernähe benutzen – aber nicht auf schnellfließenden Flüssen, oder gar im Wildwasser. Sie fallen also für ambitionierte Paddler aus. Große und sperrige Raftingboote lasse ich hier auch bewußt außen vor.

Wenn man also weiter raus möchte, oder auch heftigere Passagen fahren, bzw. der Wunsch nach komfortablen Wasserwanderungen besteht, muß man sich nach anderen Booten umsehen, also kommen wir zu den Faltbooten. „… Ein Faltboot ist ein Boot, das im Wesentlichen aus einer flexiblen Bootshaut und einem zerlegbaren Innengerüst besteht. …“ so sagt Wikipedia dazu.  Die Bootshaut für das Unterschiff wird aus Gummi, PVC, TPU oder Hypalon und das Verdeck aus einem Textil – z. B. Baumwolle – oder einem Laminat (z. B. Hypalon-Neopren) gefertigt. Das Gerüst besteht klassisch aus einer Holzkonstruktion (Eschen- oder Birkensperrholz) die modernere Varianten wären Aluminium- bzw. Kunststoffgestänge. Typische Vertreter der Faltboote sind Kajaks und seltener Kanadier. Auch Faltboote sind keine neue Entwicklung, ganz im Gegenteil. Geschichtlich belegt ist dieser Bootstyp bereits seit 500 v. Chr. Einen Vorläufer der modernen Faltboote, gebaut für Andrées Polarexpedition von 1897, kann man noch heute im Polarmuseum in Gränna (Schweden) besichtigen. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts (1905) baute der Architekturstudent Alfred Heurich ein Faltkajak und befuhr damit die Isar. Im Jahr 1907 erwarb der Sportartikelhändler Johann Klepper eine Lizenz für diese Konstruktion und ging damit in Serienproduktion –  eine Faltbootlegende, mit Bestand bis heute, war geboren. Der Faltbootsport erlebte in den Jahren darauf einen regelrechten Boom. Sonderzüge für Faltbootfahrer der Reichsbahn in den 1920er Jahren, in New York der 1930er Jahre „Folbot trains“ für Paddler entlang des Hudson Rivers. Bei den Olympischen Sommerspielen 1936 in Berlin wurde Faltbootfahren olympische Disziplin.  Viele weitere Hersteller sollten es Klepper gleichtun. Da könnte man zum Beispiel aufführen:

  • Berger Faltboote, München
  • Münchner Faltbootbau G.m.b.H.
  • Pionier-Faltboot-Werft H.Hoeflmayr & Co. in Bad Tölz
  • Firma Christian Eisenhart in Schwandorf
  • Leipziger Faltboot-Bau Engel Locher Co.
  • Hansa-Faltboote aus Bielefeld
  • Ideal-Faltboote aus Hamburg
  • Habufa-Faltboote aus Mülheim a.d. Ruhr
  • Lohrer-Faltboote aus Eberbach am Neckar
  • Kette-Faltboote aus Breslau
  • Poucher Faltboot GmbH

Firmen wie Klepper und Pouch hat sicher jeder schon gehört, der sich mit dem Paddeln beschäftigt. Während des 2. Weltkrieges sank die Popularität stetig und behielt den Trend auch nach dem Krieg bei. Bis 1970 sah man sie noch häufiger auf Seen und Flüssen, ab da aber wurden sie immer seltener. Etwa ab dem Jahr 2000 stiegen die Verkaufszahlen für Faltboote wieder stärker an, und es entwickelte sich eine kleine Wiedergeburt, die auch wohl noch anhält. Auf Grund des hohen Gewichtes und des Packmaßes eignen Faltboote sich nur bedingt für Wanderungen und den Transport mit dem ÖPNV (unterschiedliche Regelungen der Verkehrsbetriebe sind zu beachten).

Kleiner und leichter wird es dann schon bei der nächsten Kategorie, den Luftkajaks. Eins vorweg: das Nortik Scubi ist ein Hybrid aus Falt- und Luftboot. Auch diese Boote werden aus den bereits genannten Materialien aufgebaut, außerdem liest man noch diverse andere Materialien: Tarpaulin (was eigentlich nur ein wasserdichtes Gewebe beschreibt), Polyester, Vinyl und Nitrilon (Polyester-Gewebe, welches je nach Modell beidseitig mit synthetischem oder Naturkautschuk ummantelt ist) tauchen in den Produktbeschreibungen auf. Die Boote verfügen in der Regel über kein tragendes Gerüst. Die Steifigkeit entsteht durch den Luftdruck (0,07 bis 0,55 bar, variiert je nach Hersteller) in den einzelnen Luftkammern. Daraus ergibt sich, das Boote mit höherem Luftdruck über die besseren Fahreigenschaften verfügen können. Eine zusätzliche Steifigkeit verschafft die manchmal angewendete Drop Stitch Bauweise. Dieses Material, welches ursprünglich aus der Produktion von SUP Boards kommt, wird entweder im Boden, den Seitenwänden oder auch im kompletten Bootsrumpf verwendet. Es findet ein Fasergewebe (aus Polyester oder Nylon) Verwendung, wobei dann die obere und untere Innenwand der Luftkammer mit tausenden Textilfäden des Gewebematerials miteinander verwoben werden. Diese Technik ermöglicht es, die Luftkammer mit einem deutlich höheren Luftdruck aufzupumpen, was eine größere Steifigkeit, bei geringerem Volumen der Luftkammer bewirkt. Zusätzlich wird auf dem Gewebematerial eine einfache oder mehrfache wasser- und luftdichte Beschichtung (aus PVC, PE oder Kautschuk) aufgebracht, was den Einsatz im Wasser dann letztendlich ermöglicht. Nachteilig ist die Windanfälligkeit und geringere Geschwindigkeit von Luftkajaks (Luftkanadiern) gegenüber Festrumpfbooten. Der schlechtere Geradeauslauf läßt sich mit einer Finne, oder wenn angeboten, mit einer Steueranlage verbessern. Die Vorteile ergeben sich aus dem geringeren Packmaß, je nach Anzahl der Paddler, von 50 bis 100 cm und dem geringeren Gewicht. Bei Vergleichen der Boote habe ich Gewichte von ca. 9 kg bis 17 kg gefunden. Bekannte Marken für Luftkajaks und -kanadier sind unter anderem Gumotex, Intex, Advanced Elements und Grabner. Aber auch das ist noch nichts, was man bei einer Wanderung über 10 km auf dem Rücken transportieren möchte.

Dafür nehmen wir dann doch lieber ein Packraft. Die Namensgebung basiert möglicherweise auf Backpack (Rucksack) und Raft (Floß), also einem Rucksackboot. Was schon im Namen deutlich zeigt wofür diese Boote gedacht sind. Auch diese Wasserfahrzeuge sind alles andere als eine neue Erfindung.

Halketts Cloak-Boat von 1844/45 - ein frühes Packraft

Halketts Cloak-Boat von 1844/45 – das Ur-Packraft

Bereits Im Jahr 1844 erdachte Sir Peter Halkett, ein Lieutenant der Britischen Navy, ein „Cloak-Boat“ oder auch „Cloth-Boat“. Wobei „Cloth“ sich auf zwei Dinge bezog: es war das erste aufblasbare Boot überhaupt und nur aus Stoff (Cloth). Es war aber auch tatsächlich ein Kleidungsstück (Cloth), nämlich ein Mantel (Cloak) aus India Rubber (Kautschuk). Halketts Boot wurde als Mantel getragen und als Boot gefahren, vornehmlich in der kanadischen Wildnis, Packrafting wie wir es auch heute definieren würden. Ein Spazierstock wurde zum Paddel und ein Schirm diente als Segel – also auch damals schon multiuse, der Mann war seiner Zeit absolut voraus.

Den kommerziellen Grundstein legte dann im Jahr 1913 der Berliner Hermann Meyer, welcher „.. ein beidseitig benutzbares, aufblasbares Wasserfahrzeug …“ patentrechtlich schützen ließ. Auch wenn dies noch nicht den Kriterien von heutigen Packrafts entsprach, war es doch ein transportables Wasserfahrzeug. Die Entwicklung ging dann aber in eine etwas andere Richtung, die Gummi-Boote wurden größer und immer schwerer. Eine kleine Fan-Gemeinde blieb den leichteren, transportablen Booten aber durchaus erhalten. In den 70er Jahren tauchte dann endlich der Begriff Packraft auf, um sich von den bis dahin gebräuchlichen Schlauchbooten, die ihren Ursprung u. a. auch in Rettungsbooten hatten, abzuheben. Als Hersteller tauchten dann Firmen wie American Safty, Sherpa und Curtis Designs auf und nutzten neue Materialien: Neopren, später Urethan beschichtetes Nylon. Da das Packrafting eher eine Nischenbeschäftigung blieb, gingen diese Firmen irgendwann ein.
Anfang der 2000er Jahre erfolgte dann ein Revival dieser Idee, unter anderem durch die bekannte Marke Alpacka Raft, deren Mitbegründerin Sheri Tingey bereits in den späten 60er Jahren mit dem Nähen von Ski- und Outdoorbekleidung („Design by Sheri“) begonnen hatte. Neue Materialien und ebensolche Techniken ermöglichten völlig neue Wege: leichter und kleiner. Ein Boot für den Rucksack und den See/Fluß, Wildwasser inklusive. Seit 2015 etwa verließen Packrafts ihre Nische, der Markt öffnete sich und erreicht immer mehr Menschen. Die Herausforderungen, was den Wildwassersport betraf, stiegen und die Konstrukteure mußten immer neue Wege beschreiten. Die heutigen Materialien (hochwertiger) Packrafts sind TPU beschichtetes Nylon von unterschiedlicher Stärke. Für die Schläuche finden ein- oder auch zweiseitig beschichtetes Nylon ab 210 Denier Verwendung. Beim Boden darf es dann durchaus auch 840 Denier und doppelte TPU Beschichtung sein. Manchmal verwendet man auch Aramid (Kevlar) anstelle des Nylons. zum Beispiel beim Alligator 2S Pro von MRS. Bei den preiswerteren Ausführungen wird anstatt des Nylons auch mal Polyamid bei den Schläuchen und dem Boden verarbeitet.  Im Vergleich zu Luftkajaks werden Packrafts mit geringerem Luftdruck (0,08 bis 0,1 bar bzw. 1,2 bis 1,5 psi) gefahren, was natürlich zu weniger Steifigkeit als bei anderen Luftbooten führt. Darüberhinaus macht sich ein Abkühlen und somit eine Volumenkontraktion auf kaltem Wasser, viel stärker bemerkbar und es muß nachgepumpt werden. Die Nachteile von Windanfälligkeit und geringer Spurtreue sind natürlich (oder erst recht: flacher Boden und stumpfer Bug) auch hier vorhanden. Mit einem Skeg fahren Packrafts aber auch recht gut geradeaus. Dem gegenüber steht allerdings der unschlagbare Vorteil von geringem Gewicht und kleinem Packmaß. Mit Gewichten von unter 2 kg (Anfibio Nano SL sogar nur 830 g bei einer Länge von 2,05 m) sind die Boote in jedem Rucksack zu transportieren, bei einem Packmaß eines größeren Zeltes. Als Beispiel: mein MRS Nomad S1 mit einer Länge von 2,95 m und einer Breite von 0,87 m kommt auf ein Packmaß von 40 x 30 cm und wiegt komplett 4560 g. Perfekt für jede Rucksacktour. Für Mehrtagestouren sei noch die Möglichkeit erwähnt, sein Gepäck (oder zumindest einen Teil davon) in den Luftschläuchen mancher Packraftmodelle zu transportieren. Dafür verfügen diese dann über einen (oder mehrere) wasser- und druckdichte Reißverschlüsse, z. B. TIZIP® oder auch AQUASEAL®. Die Bezeichnungen dafür variieren je nach Hersteller, bei MRS / Anfibio heißen die Systeme ISS oder Tube Bags, Cargofly bei Alpacka. Packrafts gibt es als Einsitzer oder auch als Zweisitzer – wobei man die Zweisitzer durchaus auch alleine fahren kann und hat dann entsprechend mehr Platz für Gepäck. Die Materialien kommen überwiegend aus Asien (China) und auch die Fertigung geht dort vonstatten. Meines Wissens gibt es nur wenige die außerhalb Asiens produzieren. Am bekanntesten dürfte dabei – als amerikanische Traditionsmarke –  wohl Alpacka Raft sein. Ansonsten tummeln sich mittlerweile viele Marken auf dem Packraftmarkt, zum Beispiel: Alpacka Raft, Anfibio, Current Raft, Koaro, Kokopelli, Mekong, MRS (Micro Rafting System), Nortik, Stikine und Supai.

Das eine oder andere Packraft von unterschiedlichen Herstellern

Ein paar Packrafts von unterschiedlichen Herstellern

Diese Auflistung erhebt nicht den Anspruch vollzählig und umfassend zu sein. So entsprechen auch durchaus ein paar der hier getroffenen Aussagen eher meiner subjektiven Einschätzung.